Friedrich Raad und das Theater der Dämmerung
 

Startseite

 

Märchen

 

Poesieprogramme

  Termine
 

Pressespiegel

  Friedrich Raad und das Theater der Dämmerung
  Technik

Ich wurde am 15.06.1962 in Augsburg geboren. Mit 3½ Jahren zog ich mit meiner Mutter und meinen beiden Schwestern nach Stuttgart. Mein Vater blieb leider in Augsburg zurück. Stuttgart wurde meine Heimatstadt und auch heute, wenn ich auf Besuch komme, kenne ich mich dort aus und fühle mich dort zu Hause.

In Stuttgart hatte ich auch meine erste Begegnung mit dem Schattentheater. Ich war wohl 5 Jahre alt, als mich meine Mutter zu einer Weihnachtsfeier ins CVJM-Heim in Stuttgart-Möhringen mitnahm. Und da spielte die Grande Dame des Schattentheaters Lotte Reininger mit Scherenschnittfiguren Das tapfere Schneiderlein und andere Märchen. Ich war gebannt vom Anfang bis zum Ende, ohne die Konsequenzen dieses schicksalhaften Erlebnisses zu erahnen...

Dann kam die Schule, freudvoll und leidvoll bis zum bestandenen Abitur, das ich aber nie brauchen sollte. Am Ende der Schulzeit reifte der Wunsch Schauspieler werden zu wollen. Und als ich nach "meiner" Weltreise von München nach Frankfurt, die ein Jahr und ein Tag dauerte und mich nach Indien, Thailand, Australien, Neu-Kaledonien, Neuseeland, den Panama-Kanal (ich arbeitete für die Überfahrt auf einem Container-Schiff), Amerika und Kanada führte, wieder daheim war, war der Wunsch zum Platzen reif.

Ich fand eine Schauspielschule auf der ich nichts als Mist lernte, die aber zum Glück nach einem Jahr sang- und klanglos einging. Dann folgte 1983 meine Lehrzeit beim Dein Theater in Stuttgart. Dieses freie Theater gründete ich mit und ich blieb dort neun Jahre. Unter anderem wurde ich an diesem Theater Märchenerzähler. Ich selber fühlte mich in meiner Rolle, verkleidet mit Pluderhose, Schnabelschuhen und Glitzerjacke nicht besonders wohl in meiner Haut.

Und da fiel mir das Schattentheater wieder ein, welches ich als Kind erlebt hatte. Eine tolle Sache, dachte ich, hinter einer Leinwand sieht dich niemand und du bist bestimmt nicht so verkrampft und kannst unverklemmter sprechen.

Gesagt, getan. 1985 stiefelte ich in die Stuttgarter Stadtbücherei und kramte zusammen, was ich an Scherenschnittliteratur fand und bastelte mein erstes Schattentheater. Ein einfacher Rahmen, mit einem Leintuch bespannt und mit einer Bürolampe beleuchtet. Und ich schnitt Vor dem Gesetz von Franz Kafka aus und etwas später das Rotkäppchen (wenn ich mir heute diese winzige Rotkäppchenfigur anschaue, merke ich, daß mein erstes Rotkäppchen fast keine Lippen hatte, aber den meisten Leuten gefiels irgendwie trotzdem, schon damals, wirklich), und zeigte es Freunden und Kollegen. Die waren begeistert. Und so begann ich mich intensiver mit Schattentheater und Scherenschnitten zu beschäftigen. Beim Dein Theater freilich immer nebenbei. Bis ich dann merkte, daß meine Zeit dort zu Ende ging.

Das war 1993. Der Hut flog mir vom Kopfe, ich wendete mich nicht. Ich ging in die Selbstständigkeit und gründete das Theater der Dämmerung. Freilich, aller Anfang ist schwer, aber der zinslose Kredit meiner Mutter zum Kauf eines Ford Mondeo, half mir sehr.

1998 ging's dann nach Düsseldorf. Ein schönes Städtle. Fantastisch die Rheinauen. Im Sommer abends ein Feuer machen, mit Freunden und Trommeln und ein paar Flaschen Wein... Tja, wo hat mich Cupido da hinverschlagen... Und meine Scherenschnitte und mein Erzählen und Singen gedeihen und blühen. Menschen sagen mir, sie sind während der Vorstellung vom Verstand in ihr Herz geplumpst.

Katharsis nanntens die alten Griechen. Theater soll den Menschen auf spielerische Art in seinen Grundfesten berühren, auch erschüttern, ihn wieder stimmen auf seinen Kammerton, seinen Herzenston, ihn erfrischen und erinnern an seinen inneren Reichtum, seine königliche Abstammung, an sein spirituelles Wesen. Und gleichzeitig seine chaotisch- dunkle Seite nicht zu verleugnen, sondern zu integrieren. Denn dies entscheidet über die Qualität unseres Daseins. Und gerade das Schattentheater kann den ganzen Menschen erreichen, unseren rationalen Verstand und unsere irrationalen Schattenseiten.

Inzwischen haben sich meine künstlerischen Schwerpunkte verlagert. In erster Linie bin ich Rezitator, Schauspieler und Geschichtenerzähler und erst in zweiter Linie Puppenspieler und Scherenschnittkünstler. War ich in den ersten Jahren penibel darauf bedacht, keine Unschärfen, keine Hände die aus Versehen ins Bild langen, zuzulassen, so begrüße und genieße ich immer mehr das faszinierende Zufallsprinzip, die Einmaligkeit einer Vorstellung, die Unschärfe. Freilich auf einer festen Struktur gegründet. Die Inszenierung, der auswendig gelernte Text, die Technik.

Und ich erfasse mehr und mehr in meinem Geiste, was ich seit vielen Jahren tue, was eigentlich ein schöpferischer und künstlerischer Akt ist.
Und wo der wohltuende Unterschied zwischen einem Film, und sei er noch so gut, und gutem Theater liegt: nämlich den Zuschauer am eigenen schöpferischen Akt teilnehmen zu lassen, am eigenen Staunen über das Neue, die Geburt, die im Moment geschieht. Und zu erleben, wie die Reaktionen der Zuschauer mein Spiel verändern- und so einen einmaligen manchmal seligmachenden Theatervormittag, -nachmittag oder -abend schaffen.

Gefragt, ob ich denn nach über 400 Aschenputtel-Vorstellungen (innerhalb von 25 Jahren) dies Märchen nicht langsam satt hätte, ging ich in mich. Nein, antwortete ich, überhaupt nicht. Denn dieses Drama, dieser Kampf von Gut und Böse findet täglich in mir statt .Ich kenne die Eitelkeit, die Verfressenheit und Eifersucht der Stiefschwerstern, die Grausamkeit und die Kaltherzigkeit der Stiefmutter, die Trägheit und Lüsternheit von Aschenputtels Vater. Und ich fühle im Grunde meines Herzens Aschenputtels Freundlichkeit, Liebe, Unschuld und Reinheit.

Ich liebe die Märchen, die Gedichte, die Texte und Lieder meiner Aufführungen. Und das spüren die Menschen, dem können sich immer weniger entziehen. Längst benutze ich das Schattentheater nicht mehr, um mich vor den Menschen zu verstecken, sondern um mich zu offenbaren, und um die Menschen zu berühren und aufzuweichen, ganz zart und unaufdringlich.

Düsseldorf, im Januar 2012


 

Jetzt noch etwas über die andere Hälfte des Theaters der Dämmerung: Meine freien Mitarbeiter, ohne die es das alles nicht gäbe und denen ich herzlichst danke und verbunden bin:

Beate Kistner, Mutter zweier Kinder, eine tolle Frau, die auch Schattenbilder entwirft, Roland-Karl Metzger, ein Künstler ersten Ranges, ein guter Freund, manchmal schwierig zu erreichen, vor allem, wenn er Bühnenbilder für mich entwirft, macht er's gerne spannend, Benjamin Malik, der die Welt revolutionieren will. Frank Schönheit, unglaublich tief und gewissenhaft. Ein Allroundtalent ist Wanja Kilber, Physiker und Grafik-Designer. Mindestens so genial und chaotisch wie Albert Einstein, unglaublich präsent im Spiel, schafft er es locker binnen Minuten alles auf den Kopf zu stellen... Puja Jalili-Kamalian. Wir haben irgendwann so viel Schattentheater zusammen gespielt, manchmal 30 Vorstellungen im Monat, daß wir uns nicht mehr riechen konnten und unsere Freundschaft in ernsthafter Gefahr war. Jetzt spielen wir seltener miteinander und genießen unsere gemeinsamen Unternehmungen wieder. Andreas Starr, Musiker aus Ahaus, Schöpfer der einfühlsam-genial Kompositionen zu meinen Werken ablieferte. Immer schöner, als ich mir vorher vorzustellen wagte... Guido Hörnschemeyer, Lebenskünstler. Dimitri Lermann, Schlagzeuger, Musiker und fantastischer Puppenspieler.

 

 

 

Hier noch eine Darstellung des Theaters der Dämmerung

Das Theater der Dämmerung ist ein Schattentheater, das zu den Menschen geht, und dies schon seit fast 20 Jahren (Stand 2012). Es spielt pro Jahr etwa 160 Aufführungen an 140 verschiedenen Orten, schwerpunktmäßig in Nordrhein-Westfalen, mit Abstechern u.a. in die Region Stuttgart, Hamburg, Hannover, Rhein-Main-Gebiet und Ribbeck im Havelland. Wir waren auch schon in Luxemburg, Frankreich, Österreich, Polen, Italien und in der Schweiz zu Gast.

Das Theater kommt zu Kindergärten und in die Schulen, Grund-, Haupt-, Realschulen und Gymnasien mit verschiedenen altersgemäßen Programmen. Es besucht Altenheime und Seniorennachmittage, z.B. in Kirchengemeinden, mit literarisch-musikalischen Programmen, die das Publikum zum Mitsingen einladen. Darüber hinaus spielt das Theater in Bibliotheken, auf Kleinkunstbühnen und auch im privaten Rahmen auf Jubiläen und Geburtstagen. Die Programme werden aus einem reichen Repertoire geschöpft und sind immer mit dem Veranstalter auf das Publikum abgestimmt.

Ein paar Stimmen zu den Vorstellungen: "Wir sind immer auf der Suche nach etwas, das sich von dem Ramtata des Fernsehens unterscheidet. Und Ihr Theater hat sich wohltuend unterschieden!"- "Es war entzückend, wir waren hingerissen."- "Ihre einzigartige Darbietung war eine Augenweide und ein Ohrenschmaus. Unsere Herzen sind offen." -"Nein, mehr als ein Genuß, ein Hochgenuß".

Über 150 Vorstellungen spiele ich pro Saison, jeweils mit einem meiner hochgeschätzten Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern.. Zuschüsse habe ich bislang keine erhalten und auch schon lange keine mehr beantragt. Wenn ich auf irgendwelche Kulturämter angewiesen wäre, dann Gute Nacht Marie...

Das Schattentheater hat durch seine Reduktion auf das Wesentliche eine ungemein beruhigende, konzentrierende Kraft. Die Texte, die Friedrich Raad mit Mikrofon life im kraftvollen Originaltext vorträgt, erhalten eine ganz frische, aktuelle Dimension, so daß viele Lehrer und Lehrerinnen etwa nach einem Balladenprogramm oder einem Märchen ihr Erstaunen äußern, wie gut die Kinder in das Stück eingetaucht sind. Die direkte Wirkung auf die jungen Menschen ist nicht von der Hand zu weisen: die Kinder kommen fasziniert zur Ruhe, was weit über die Aufführungszeit anhält. Es wird ihr Interesse an Kunst, an Sprache und an Literatur geweckt. Bei den kleineren Kindern wird durch die Märchen früh schon ein starkes Empfinden gefördert.

Das Schattentheater, wie Friedrich Raad es zum Leben erweckt, hat auch einen therapeutischen Effekt: Drei speziell auf Senioren abgestimmten Programme laden zum Mitsingen ein, was von den Besuchern gerne angenommen wird: die Lieder ihrer Jugend, von "Am Brunnen vor dem Tore" bis "Freut Euch des Lebens", treten wieder ins Gedächtnis. Und immer wieder reagieren auch sehr in sich gekehrte und dementiell erkrankten Heimbewohner und singen mit. Dies ist für uns, eines der schönsten Erlebnisse unserer Arbeit.

An der Realisierung eines Programms des Theaters der Dämmerung wirken viele Menschen tatkräftig mit. Friedrich Raad hat nun einen Mitarbeiterstab von acht freischaffenden Künstlern, die mit Enthusiasmus Programme konzipieren, Figuren und Hintergründe fertigen, die Anschreiben versenden und schließlich die Aufführungen mitgestalten.